Es
braucht mehr Leben in der heute naturfernen Agrar-landschaft
Das 3-Seen-Land ist heute eine vom
Ackerbau dominierte Landschaft. Die Strassen, Feldwege und kanalisierten
Gewässer verlaufen meist geradlinig durch die stark geometrisch geprägte
Agrarebenen. Um die eintönige Gegend wieder aufzuwerten, braucht es eine
Revitalisierung der Restbestände ehemaliger Fluss- und Moorlandschaften, mehr
Naturelemente wie Niederhecken und extensiv genutzte Bereiche sowie einen
besseren Schutz der offenen Landschaft vor Zersiedelung und Agrarinfrastrukturen.
Die zunehmende Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung und das Ausräumen von natürlichen Elementen haben im 3-Seen-Land zu einer Verödung der Landschaft geführt. (Bild: Reportair, Niklaus Wächter)
Der
nördliche Dorfrand von Ried bei Kerzers (FR) liegt etwas erhöht über der
ehemaligen Schwemmebene des Grossen Mooses. Über die Autobahn hinweg schweift
der Blick über ein weisses Meer von Gewächshäusern und Folientunneln mitten ins
Zentrum der seeländischen Gemüsekammer. Schnurgerade Kanäle und
Entwässerungsgräben säumen die ebenfalls geradlinig verlaufenden Feldwege. Vor
allem im Frühjahr sind zahlreiche Äcker mit Plastik überdeckt und wirken wie
Schneefelder.
Die Form der Bewirtschaftung und das Landschaftsraster zeugen von einer längst überholten Philosophie des Hochwasserschutzes und von rein funktionalen Meliorationen, welche die früheren Feuchtgebiete nur aus dem Blickwinkel der Verwertbarkeit umgestalteten.
Die Form der Bewirtschaftung und das Landschaftsraster zeugen von einer längst überholten Philosophie des Hochwasserschutzes und von rein funktionalen Meliorationen, welche die früheren Feuchtgebiete nur aus dem Blickwinkel der Verwertbarkeit umgestalteten.
Industrialisierte Landwirtschaft: Grosse Gewächshäuser dominieren die Agrarlandschaft im freiburgischen Ried bei Kerzers. (Bild: Anja Fonseka)
Was läuft falsch?
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Die
zunehmende Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung und das Ausräumen
von natürlichen Elementen führen zu einer Verödung der Landschaft.︎ Das Eliminieren von landschaftsgestaltenden Naturelementen – wie Hecken, Feuchtstellen und Tümpel – sowie das Fehlen von extensiv genutzten Flächen und Ackersäumen beeinträchtigen die Artenvielfalt.
︎ Siedlungen und Industriezonen im 3-Seen-Land ufern immer weiter in die offene Landschaft aus. Durch den forcierten Bau von Gewächshäusern und Folientunneln auf Ackerflächen und den Ausbau der Infrastruktur für die Bewässerung droht eine zunehmende Industrialisierung der Landschaft.
︎ Die Landschaftsentwicklung im Projektgebiet richtet sich seit Jahrzehnten praktisch allein nach den Ansprüchen und Planungen der Landwirtschaft.
︎ Durch die Binnenkorrektion haben die weitläufigen Moorlandschaften ihren ursprünglich feuchten Charakter grösstenteils verloren. Ohne ausreichende Feuchtgebiete verfügt die Region in der Klimakrise über eine ungenügende Widerstandsfähigkeit. Denn gerade künstlich trockengelegte Landschaften reagieren besonders anfällig auf hohe Temperaturen und Trockenheit.
Grossprojekte der Landwirtschaft
Zur
Sicherung des Status quo beruhen die sogenannten Bodenverbesserungsprojekte der
Landwirtschaft auf einem rein technischen Ansatz. So will man die abgesackten
Böden mit Baustellenaushub aufschütten, und es sollen tiefere Drainagen und ein
flächendeckendes Bewässerungsnetz entstehen. Einige Gemüsebetriebe möchten
mitten in einer der wenigen noch unverbauten Ebenen der Schweiz zudem eine
gigantische Gemüsehalle erstellen. Mit den geplanten Verarbeitungsgebäuden
würde sie den Platz von 100 Hektaren besetzen.Solche Vorhaben reduzieren das Potenzial der Region auf eine maximale landwirtschaftliche Nutzung mit entsprechendem ökonomischem Ertrag. Der Landschaftscharakter wird dabei ebenso ignoriert wie die Anliegen des Natur- und Gewässerschutzes sowie der Biodiversität. Andere gesellschaftliche Interessen – wie die Entwicklung hin zu einer intakten, touristisch attraktiven und ökologisch vielfältigen Landschaft mit lebendigen Gewässern und Moorgebieten – werden übergangen
Siedlungen und Industriezonen – wie hier zum
Beispiel in Kerzers (FR) – ufern immer weiter in die offene Landschaft aus. Die
Landschaftsentwicklung richtet sich seit Jahrzehnten praktisch allein nach den
Ansprüchen der Landwirtschaft. (Reportair, Niklaus Wächter)
Die Vision für eine vielfältigere
Landschaft
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Im
Jahr 2050 sind die revitalisierten Moorbereiche im gesamten Gebiet mit einem
Mosaik von Feuchtflächen und weiteren Naturelementen vernetzt. Dadurch ist die
Landschaft feuchter, wasserhaltiger, vielfältiger, lebendiger und besser an die
Klimaerwärmung angepasst.︎ Flüsse, Bäche und ihre Auen sind auf weiten Strecken revitalisiert.
︎ Dank Feuchtgebieten, Biotopen und Vernetzungskorridoren sind die Anbauflächen eng mit den natürlichen Lebensräumen verzahnt. Die Landwirtschaft profitiert – zum Beispiel dank Nützlingen – von den Ökosystemleistungen dieser Schutzgebiete und einer grossen Biodiversität und trägt durch schonende Anbaupraktiken selbst zu deren Förderung bei.
︎ Die Zersiedelung der Landschaft durch Infrastrukturen wie Gewächshäuser und Verarbeitungshallen ist aufgehalten. Neue Bauten und Anlagen sind dem Landschaftsbild angepasst und stehen in den Siedlungen, wo eine sinnvolle Umgebungsgestaltung ihre Integration ins Ortsbild unterstützt.
︎ Die Landschaft bleibt für die Naherholung und den Langsamverkehr erschlossen. Dank einem sanften Tourismus, der die Kulturlandschaft zum Erlebnis macht und die Naturlandschaften schont, bieten sich neue Einkommensquellen.
Entlang der Alten Aare zwischen Aarberg und Büren (BE) finden sich noch Reste der ehemaligen Auengebiete, die das Seeland früher landschaftlich geprägt haben. (Bild: Wikimedia Commons_educolor.ch)
So wird die Vision zur Realität
Stärkung der Ökologischen Infrastruktur
Die Raumplanung im 3-Seen-Land berücksichtigt die nationalen Vorgaben zur Ökologischen Infrastruktur. Die Planung schliesst Feuchtlebensräume und die für die Biodiversität wichtigen Habitate der offenen Kulturlandschaft ein. Bei übergeordneten Plänen und neuen Projekten sind die nötigen Vernetzungskorridore frühzeitig einzuplanen.
Revitalisierung der Flusslandschaften
Flüsse, Bäche, alte Flussschleifen und ihre Auen werden renaturiert. Durch Aufhebung der künstlichen Entwässerung wandelt man tieftorfige und degradierte Böden wieder in Moorgebiete und Feuchtlebensräume um.
Lenkung der Bebauung
Permanent betriebene Gewächshäuser werden nur noch in Intensivlandwirtschaftszonen zugelassen, die an Siedlungen angrenzen. Ansiedlungen von Industrie- und Gewerbebetrieben erfolgen nicht auf freiem Feld. Die Siedlungen entwickeln sich moderat und bevorzugt nach innen.
Förderung des sanften Tourismus
Das touristische Angebot setzt auf den Langsamverkehr und fördert das Bewusstsein für die regionale Bedeutung von Wasser und Biodiversität in der Landschaft. Es gibt Einblicke in die Geschichte der Juragewässerkorrektionen, Gewässerrenaturierungen und revitalisierten Moorgebiete.